Sein Tod ist für uns ein schmerzlicher Verlust, war er doch eine tragende Säule unseres Vereins bei der Erforschung der Peenemünder Geschichte.
Seit der Gründung des "Neuen Historischen Vereins Peenemünde" am 28.07.1990 war er dabei. Seiner guten Kenntnis des Peenemünder Geländes verdanken wir viele wertvolle Funde.
Als Reinhold Krüger im Frühjahr 1944 seine Lehre als Dreher im Metallbau Peenemünde Nord begann, wird er nicht daran gedacht haben, dass sein gutes Erinnerungsvermögen 46 Jahre später dazu führen würde, den Grundstock für ein kleines Museum zu legen. Insbesondere ihm ist es zu verdanken, dass am 9. Mai 1991 in der ehemaligen Bunkerwarte des Kraftwerkes Peenemünde das "Historisch - Technische - Informationszentrum" feierlich eröffnet wurde. Das HTI profitierte auch weiterhin von seiner akribischen Arbeit.
Unvergessen bleibt für uns, wie wir mit Reinhold im ehemaligen Peenemünder Gelände in einem verschütteten Bombentrichter Teile der A 4 fanden, die er als Lehrling vergraben hatte.
Auf seine Kenntnisse konnte der Vorstand nicht mehr verzichten. Folgerichtig wurde er in den Vorstand des Vereins berufen. Seit dieser Zeit hat er uns immer durch seine zielstrebige, präzise und gründliche Arbeit beeindruckt. Er vertrat immer nur das, was bewiesen werden konnte. Raum für Spekulationen gab es bei ihm nicht. Sein Unmut wurde immer dann geweckt, wenn vermeintliche "Historiker" die Peenemünder Geschichte zu nutzen versuchten, um sich zu profilieren. Er sah, wie wir, die Peenemünder Geschichte wie sie war und nicht wie man sie gerne hätte. Wie sie war, das zeigt das maßstabsgetreue Modell einer A4 am Eingang des HTI. Er war der Initiator für den Bau dieses Modells, unter Einbeziehung von Originalteilen einer A 4. Damit hat sich Reinhold Krüger ein bleibendes und sichtbares Denkmal gesetzt. Viele haben von seinem Wissen profitiert. Er war ein gesuchter und geschätzter Gesprächspartner, für Schüler genauso wie für alle anderen, die sich für die Peenemünder Geschichte interessierten. Für uns war er Freund, Lehrer und Kritiker zugleich, der immer ehrlich seine Meinung vertrat und uns damit ermunterte weiterzumachen.
Das erste Infoblatt 2005
fällt in eine Zeit, wo man beginnt, sich der Ereignisse vor 60 Jahren zu
erinnern. Es geht um das Ende des 2. Weltkrieges. Viele Mitglieder unseres
Vereins haben diese Zeit unterschiedlich erlebt und somit sind auch die
Erinnerungen unterschiedlich. Auf Peenemünde bezogen ist das sicher nicht
anders. Was spielte sich von Januar 1945 bis März 1945 hier, im Nordteil der
Insel Usedom, ab?
Das
waren:
- der
erfolgreiche Erststart einer A 4b am 24. Januar 1945,
- der
letzte Abschuss einer A 4 am 17.02.1945 vom Prüfstand 7,
- der
Befehl von Kammler vom 31.01.1945 zur Evakuierung von Peenemünde,
- der
Beginn des Umzuges am 17.02.1945 nach Süddeutschland,
- Wernher
von Braun verlässt Peenemünde Anfang März 1945, ebenfalls in Richtung
Süddeutschland,
- die
Flucht M. P. Dewjatajews am 08.02.1945 mit weiteren 9 sowjetischen
Häftlingen mit einer He 111 von Peenemünde West.
Vom
13.Juni 1942 bis 17.Februar 1945 erfolgten in Peenemünde 282
Erprobungsabschüsse der A 4. Davon auf dem Prüfstand 7 allein 175. In
Peenemünde wurden 200 Geräte A 4 gebaut.
Es
ist bekannt, dass am 07.April 1945 annähernd 500 Peenemünder mit einem
Sonderzug den Nordteil der Insel Usedom in Richtung Süden verließen. Am 04. Mai
1945 nahmen sowjetische Soldaten Peenemünde kampflos ein.
Über
die Peenemünder Zeit von 1936 bis 1945 wurde viel geschrieben, wird viel diskutiert
und wird sicher auch weiterhin viel gesprochen werden. Politiker versuchten
sich zu profilieren, sogenannte Historiker haben die Peenemünder Geschichte für
sich zurechtgebogen. Wahre Kenner der Materie sind sich mit uns einig: Peenemünde ist und bleibt der Geburtsort
der Raumfahrt!
Für
uns ist nicht umstritten, dass die
Entwicklung der Raketentechnik in Peenemünde der Raumfahrt entscheidende
Impulse gegeben hat. Die amerikanische Publizistin Marsha Freeman schreibt dazu
in ihrem 1993 erschienen Buch „How we got to the monn. The story of the German
space pioneers“ folgendes: „ Mit dem Forschungsprogramm von Peenemünde lässt
sich eigentlich nur das spätere Apollo-Programm der USA vergleichen, das den
ersten Menschen auf den Mond brachte. Und daran waren ehemalige Peenemünder
maßgeblich beteiligt.“
Wir
freuen uns, dass unser langjähriges Vereinsmitglied, Dr. Reinhard Dicke aus
Willich, sich konkret mit der Thematik „Deutschland
und die Rakete“ auseinandersetzt. Wir glauben, dass er damit einen wichtigen
Beitrag zur Raketendiskussion in Deutschland leistet und werden sein
interessantes Material unseren Lesern des Infoblattes nicht vorenthalten. In
Fortsetzung geben wir sein Werk im Infoblatt 02/05 ohne Kürzung wieder. Seine
Arbeit hat den Titel:
Deutschland und die Rakete – Eine Zwiebel
unter Ockhams Razor*
Er unterteilt seine Erarbeitung in 5
Abschnitte:
- Die
Rakete als Stolperstein für Deutschland.
- Die
Entwicklung der Rakete als Waffe.
- Die
Großrakete, ein Faszinosum. Ein evolutionärer Schritt für die Menschheit.
- Die
Frage der Schuld deutscher Raketeningenieure.
- Die
Rakete heute als Waffe und Forschungsgegenstand.
Im
Infoblatt 02/05 setzen wir mit den Abschnitten 4 und 5 die Veröffentlichung
fort.
Zu 4. : Die Frage der Schuld deutscher Raketenwissenschaftler.
Man mag Anstoß daran nehmen,
dass aus Kostengründen Erfindungen zur Realisierung den Kriegsministerien
angeboten werden.
Da durch neue Erfindungen
die Verteidigungsfähigkeit des eigenen Landes verstärkt werden kann, haben
Erfinder immer ein gutes Gefühl dabei, das Kriegsministerium als Financier zur
Realisierung ihrer Erfindung zu benutzen. Ja, viele Erfinder arbeiten direkt
für die Rüstung. Schon das Schulwissen erinnert an Heraklit, der da sagte: „
Der Krieg ist der Vater aller Dinge.“ Man kennt Wieland den Schmied, der seine
Schwerter durch Nitrieren in Entenkot härtete, Archimedes, der
Verteidigungsanlagen für Syrakus baute. Leonardo da Vinci, der Revolverkanone
und Panzerwagen entwarf. Wright-Flugzeuge und Zeppelin-Luftschiff wurden dem Kriegsministerium
angedient. Porsche, Heinkel, Messerschmitt, Krupp dienten mit Maschinen der
Aufrüstung, die chemische Industrie mit den Nervengasen Tabun, Sarin und Soman.
Eine Waffe zu erfinden oder
zu produzieren ist a priori nichts Schlechtes. Die Welt ist voller Gefahr,
Verfolgung und Schlechtigkeit, so dass von Natur aus ständige Verteidigung
erforderlich ist.
So hat denn die Natur alle
Lebewesen mit Waffen, offensiven oder defensiven, sowie mit der Möglichkeit der
Flucht in die Distanz oder in die Unsichtbarkeit (Tarnung) ausgerüstet, und die
Evolution verbessert die Waffentechnik immer weiter bis zur hochgradigen
Perfektion.
„Einige führende
selbständige Erfinder sind vor dem ersten Weltkrieg bei der Entwicklung ihrer
Erfindungen mit großen Summen vom Militär finanziert worden. Die Flotte
unterstützte Sperry bei der Arbeit an den von ihm entwickelten Methoden der
artilleristischen Feuerleitsysteme und de Forest und Fessenden bei der
Verbesserung des drahtlosen Telegraphen und des Sprechfunks. Die amerikanische
Armee kaufte die Flugzeuge der Gebrüder Wright, und die britischen Streitkräfte
unterstützten Maxim bei der Entwicklung des Maschinengewehrs. Beschäftigt man
sich eingehender mit den Beziehungen zwischen den selbständigen Erfindern und
dem Militär, dann sieht man, wie weit die Wurzeln der Rüstungsindustrie und
besonders der Einfluss des Militärs auf die Auswahl der von den Erfindern zu
lösender Probleme in die amerikanische Vergangenheit zurückreichen.
(Th. P. Hughes: Die Erfindung Amerikas)
Festzuhalten ist außerdem,
dass Wernher von Braun von Dornberger gebeten wurde, seine Rakete für die
Reichswehr zu bauen, die sie allenfalls als Verteidigungswaffe benutzen konnte,
denn einen Aggressionskrieg würde die Reichswehr bei ihrer Kampfstärkebeschneidung
durch die Alliierten nicht planen. Für die Zeit der Zusammenarbeit mit der
Reichswehr gab es also keine moralischen Bedenken.
Und noch ein Zitat aus dem
Buch „Der Schuss ins All“ (1925) des bekannten Raumfahrtpropagandisten Otto
Willi Gail, das der junge Wernher mit Sicherheit las. Eine Industriespionin verteidigt sich vor
dem bestohlenen Erfinder:
„Sie zögerte mit der Verwertung ihrer Arbeit. – Sie wiesen
ausländische Gelder ab, und in dem verarmten Deutschland konnten sie die
benötigten Kapitalien nicht aufbringen. Ungeduldig sehnte ich den Bau eines
praktisch verwendbaren Modells herbei. – Erschüttert vernahm Korf die
Offenbarung... doch eine Ahnung stieg in ihm auf, dass es vielleicht auch im
Sittlichen eine Schweregrenze geben mochte, an der Begriffe oben und unten
ihren Sinn verlieren.“
Die unter ungeheuren
finanziellen und personellen Einsatz der Rüstungsministerien von Heer und
Luftwaffe entwickelte Vorstufe (A4) der geplanten Raketenwaffe (A9) wurde
später unter Hitler übereilt zum Einsatz gebracht. Mit ihr wurden sinnlose
Menschenopfer am absehbaren Ende eines von der Hitler-Regierung ausgelösten
verbrecherischen Angriffkrieges verursacht.
Die deutschen Techniker, die
jene Kriegswaffe entwickelten, die ihnen später von der Prätorianergarde des
verbrecherischen Regimes, der SS, als unfertige Waffe entrissen wurde, sind
heute verfemt und wurden als opportunistische, skrupellose, willfährige
Waffenschmiede angeprangert.
„Wie in- und ausländische Militärs heute urteilen, hat die
A4 jedoch keine entscheidende Bedeutung gehabt. Sie kam zu spät und war in
ihrer Wirksamkeit vorhandenen Waffen, wie Flugzeug und Artillerie in
Zerstörungskraft und Zielgenauigkeit unterlegen. Wenn man die Produktionskosten
und den Aufwand für die jahrelange Entwicklung mit ihrer militärischen
Bedeutung ins Verhältnis setzt, so muss man sagen, dass der Bau der A4 eher die
deutsche Niederlage gefördert als eine Verlängerung der Kriegshandlungen
verursacht hat. So wurde bereits im Kriege von anderen Waffenproduzenten die Entwicklung
der A4 mit Sabotage verglichen.“
(A. Speer: Erinnerungen)
Wie ist aber zu erklären,
dass Wernher von Braun und seine 5000 Mitarbeiter in Peenemünde und die 5000
Mitarbeiter außerhalb Peenemündes willfährig und eifrig weiter einer Regierung
dienten, deren kriminelle Taten für jedermann langsam offenbar wurden? – Die
Frage kann man erweitern zu der Frage, warum Generäle des Heeres, Großadmiral
Dönitz, ein Messerschmitt, ein Porsche, ein Fieseler, ein Dorpmüller, ein
Degenkolb und tausende andere Führungspersonen und Manager sowie die ganze
deutsche Industrie bereitwillig einen Verteidigungskrieg weiter unterstützten,
nachdem ein deutscher Sieg aussichtslos geworden war.
Die Antwort kann nur die
Psychologie geben.
Alle diese Menschen hatten
aus Not und Verblendung ein menschenverachtendes Regime gewählt oder
akzeptiert, das unerwartet einen imperialistischen Vernichtungskrieg
anzettelte. Als die überfallenen, verbündeten Gegner, ihre Freiheit unter hohen
Verlusten erfolgreich verteidigten, und in Deutschland einrückten, befürchtete
man mit Recht ein hartes Strafgericht mit einem Friedensdiktat, noch härter als
das von Versailles. Deshalb hoffte man verzweifelt auf ein schicksalswendendes
„Wunder“, das heißt auf Wunderwaffen, wozu die A4 gehörte.
(Alle sind)...
„gewillt, durchzuhalten, denn jedem ist klar, dass in diesem Krieg es keine
Niederlage geben darf, denn was danach käme, das ist überhaupt nicht
auszudenken. Deutschland und wir selbst mit ihm würden untergehen.“
(General G. Heinrici: „Briefe 1943“)
Natürlich hat das Volk im weitesten Sinne – einschließlich
seiner Intelligenz – sich voll eingesetzt, die Wehrmacht ihr ganzes,
traditionell unterbautes Können zur Verfügung gestellt und die intakte
Wirtschaft alles hergegeben, um den Kampf nicht verloren gehen zu lassen. Aber
ein zusammenfassender, antreibender Motor muss gewesen sein, gerade in den
letzten zwei Jahren. Es ist klar, dass dies nur Adolf Hitler sein konnte und es
auch in der Tat war.
(A.
Speer: Protokoll 1: Adolf Hitler, 1.8.45)
(B.
Was den Mut zur Verweigerung
betrifft: Wer in Peenemünde nicht unabkömmlich war, landete mit großer
Wahrscheinlichkeit an der russischen Front.
Aber warum hatten so viele
Deutsche ein solch imperialistisches Regime seinerzeit zur Macht kommen lassen?
Hier stoßen wir mit Ockhams
Razor* auf den innersten Kern der Zwiebel, die Grundursache für den Einsatz der
Rakete als Kriegswaffe.
Warum konnte sich ein Hitler
mit einer neuen imperialistischen Ideologie zum Diktator auf- schwingen?
Wesentlich war wohl, dass
man ihm den Mut, die Frechheit, die Chuzpe zutraute, den von ihm so massiv
angeprangerten Versailler Friedensvertrag, bzw. den daraus abgeleiteten
Young-Plan zu boykottieren. Nur das allein kann es aber nicht gewesen sein,
denn die Alliierten wurden zunehmend verhandlungsbereiter. Auch sein
suggestives Reden kann nicht entscheidend gewesen sein, denn gerade in der Zeit
des Redeverbots 1925 bis 1926 in Bayern und Preußen stieg die Mitgliederzahl
der NSDAP sprunghaft an. Man hatte eigentlich auch Jahre Zeit, sich mit dem
Gedankengut der Nazis vertraut zu machen. Außerdem beschrieb Hitler in seinem
Programmbuch „Mein Kampf“ in erstaunlicher Offenheit seine bösen Absichten, die
Ziele seiner Partei.
Ein Mann allein ist nicht in
der Lage, eine Weltkatastrophe auszulösen, das kann er nur mit Hilfe
zahlreicher Mitarbeiter. – Warum kooperierten so viele Deutsche mit dem
„Teufel“? Warum nahmen so viele keinen Anstoß an Hitlers Parteiprogramm?
Die schockierende Antwort
ist: Hitler stürmte durch offene Türen nach oben, anders hätte der ungeschulte,
autodidaktische Mann aus Obdachlosenasylen mit der Suada eines Marktschreiers
nicht Massen in rasende Begeisterung versetzen können.
Hitler in seiner ordinären
Hemmungslosigkeit wagt es, das allgemeine, unausgesprochene menschliche Fühlen,
die heimlichen Wünsche der Menschen zu artikulieren. Die Menschen nahmen keinen
Anstoß an ihm, weil das deutsche Volk zur Zeit der Weimarer Republik durch das
Versailler Friedensdiktat in seiner Gesamtheit in tiefster Not steckte.
Inflation und Massenarbeitslosigkeit führten zu Verarmung quer durch alle
Volksschichten. Und Moral und Altruismus gedeihen eben nur im Wohlstand. („Erst
kommt das Fressen, dann die Moral“ – Brecht) – Was ist in der Not moralischer,
seine Kinder verhungern lassen oder stehlen? – Existentielle Not enthemmt
schamlosen Egoismus.
Der Mensch neigt von Natur
aus zur Selbstüberheblichkeit und damit zu diktatorischer
Autorität. Seinen Glauben, seinen Willen, seine Meinungen möchte er apodiktisch
Allgemeingut werden lassen.
Religiöses und politisches
Dissidententum löst Hassgefühle und den Wunsch nach Ausstoßung und Verfolgung aus.
Er ruft nach Brutalität und Intoleranz gegenüber
Normabweichlern zur Aufrecherhaltung von Ruhe und Ordnung. – „Ordnung“ =
angepasstes Wohlverhalten.
Eine Gelegenheit zur Alleinherrschaft, zumindest zur
Ausübung von Macht, würde er nicht
ausschlagen und eine derartige Hebung seines Selbstgefühls begrüßen.
Natürliche Veranlagung zu
Egoismus, Pleonexie und Neid fördern imperialistisches
und chauvinistisches Denken.
Landnahme mit Gewalt bei Überbevölkerung löst kein Unrechtsbewusstsein aus.
(Es gab bis „Nürnberg“ keine
verpflichtenden völkerrechtlichen Gesetze, nach denen jeder Angriffskrieg eine
verbrecherische Handlung dargestellt hätte.)
Das Denken und Handeln
des Menschen ist egoistisch und unsozial, kapitalistisch (= anti –
kommunistisch, jenseits ideologischer Verstrickung).
Sportlicher und beruflicher
Wettstreit (Konkurrenzkampf) ist ein bewusst oder unbewusst gelebter
darwinistischer Struggle for life (gelebter Sozialdarwinismus).
Der Slogan, Gemeinnutz geht vor Eigennutz, wird
akzeptiert, wenn man selbst Nutznießer des Gemeinnutzes zu werden hofft. –
Missachtung von Persönlichkeitsrechten.
Eigene finanzielle und
körperliche Belastungen durch notleidende, hilfsbedürftige Personen ist er
geneigt, durch direkt oder indirekt unterlassene Hilfeleistung zu vermeiden. (= Ausrottung).
Eine angeborene Xenophobie
verleitet ihn, rassistisch zu
denken. – Nationalgefühl beruht auf
einem staatsbezogenen Egoismus.
Man vergleiche das Denken
und heimliche Handeln auf der Erde mit diesen Maximen des Nationalsozialismus,
man lese die Skandalberichte in den Tageszeitungen, die Berichte von Amnesty
International, und man wird mir Erschrecken feststellen, dass auch heute noch
weltweit, auch in demokratischen Ländern, untergründig, stillschweigend nach
diesen Maximen gehandelt und gelebt wird.
Krimineller Egoismus,
Korruption, Betrug und eine Wirtschaft, die krassesten Kapitalismus nicht nur
lautlos befolgt, sondern auch schamlos preist, durchsetzen die europäischen
Länder und die USA. Diese Demokratien sind kein Deut besser als Länder der
Dritten Welt oder eine Bananenrepublik.
Grundsätzlich sind
selbstsüchtige Motivationen korrigierbar, vor allem in der Kindheit bei der
Prägung des Gewissens, aber das ist mühsam und erfordert viel dressierende
Überzeugungskraft.
Hitler sprach aber nicht nur
die niederen Instinkte an. Er zeigte auch Zugang zu höheren Weihen auf:
„Niemals ist der Redner Hitler allein er selber. In bedrängendem
Wechselspiel ist er Richtstrahler und Antenne zugleich. Wohl suggeriert der
blindwütige Zerstörer den Massen seine Absichten, nicht minder aber saugt er
bei jeder Begegnung mit ihnen in sich auf, was alles an Überholtem, Unechtem,
Verlogenem in der Atmosphäre liegt.
Hitler extrahiert von seinen Kommunikanten alle möglichen
Minderwertigkeitskomplexe und dunklen Triebe, er verkleidet die hundertfältigen
Unlustgefühle in Idealismus und Opferbereitschaft.
(H. B. Gisevius: Adolf Hitler)
Verdrängung der Scham, der
Schmach des verlorenen Krieges. Indem er die durch Übermacht der Gegner
bedingte Niederlage mit Verrat (Dolchstoß durch die „Novemberverbrecher“)
begründete, glorifizierte er die Kämpfer des 1. Weltkrieges zu Märtyrern und
Helden.
Die deutschen Männer fühlten
sich aber nicht nur ehrlos als Besiegte, sondern ihr Stolz und
Selbstbewusstsein wurden auch durch Arbeitslosigkeit und verschuldete Armut
gebrochen. Diese Not versprach er mit unparlamentarischen Maßnahmen,
Aufkündigung der Reparationszahlungen und Sozialismus zu besiegen.
Der Mensch hat auch eine
angeborene Tendenz, sich zu transzendieren, das heißt, ein Bedürfnis, trotz
seines Egoismus durch selbstlose edle Taten, Ewigkeitswerte zu schaffen. Denn
sein Ichbewusstsein kann nicht akzeptieren, dass dieses, sein Ich, schließlich
ins Nichts vergehen soll.
Viele Religionen kommen
diesem Bedürfnis entgegen, indem sie Wege zu einem ewigen Leben aufzeigt. Aber
auch der Nichtgläubige sucht sich zu profilieren, ewige Werte zu schaffen.
Mit Selbstlosigkeit,
Kameradschaft, Treue, Hilfsbereitschaft, Opferbereitschaft und hervorragenden
Leistungen für Volk und Nation zeigte Hitler Werte auf, mit denen man sich vor
der anonymen Masse auszeichnen, sich profilieren und ewigen Ruhm und Ehre
erlangen konnte.
Die allgemeine körperliche
und seelische Not ließ die Versprechungen des charismatischen Demagogen Hitler
als Erlösung erscheinen und seine Moraldefekte übersehen.
Und der Weg in die Diktatur
ist eine Einbahnstrasse: Hinein geht es leicht, heraus kommt man mit eigener
Kraft kaum.
Nun kann man die tiefsinnige
Frage stellen, warum gerade von
Deutschland zwei beispiellose Weltkriege ausgelöst wurden, deren zweiter
noch von unfassbaren Grausamkeiten begleitet war. Sind die Deutschen besonders
kriminell oder aggressiv veranlagt?
Alles Geschehen hat seine
logische Ursache, und auch die Ursache für Deutschlands Rolle als enfant
terrible im 20. Jahrhundert liegt in einer Verquickung von Zufall und
Notwendigkeit.
Um das Jahr 1914 hatte die
technische Entwicklung und Industrialisierung in den zivilisierten Ländern eine
bisher nie da gewesene Höhe erreicht, denn die technische Entwicklung befand
sich in dieser Zeit am Umschlagpunkt eines exponentiellen Wachstums, dessen
steiles Ansteigen wir heute weiter erleben. Außerdem hatte der zeitgenössische
Kolonialismus und Imperialismus waffenstarrende, äußerst kriegslüsterne
Nationen hervorgebracht. Ein Hegemonialkrieg drohte in Europa. Zufällig zu
dieser Zeit ließ sich Deutschland leichtfertig mit in den Krieg reißen, der
notwendigerweise ein Krieg der Technik, ein Materialkrieg werden musste, der
die räumlichen und materiellen Dimensionen früherer Kriege sprengte. Der daraus
folgende auch überdimensionierte, psychologisch ungeschickte, unrealistische
Reparationen fordernde Versailler Friedensvertrag verelendete Deutschland, so
dass das deutsche Volk anfällig für kurzsichtiges revanchistisches Denken
wurde.
Der dann, nach 20 Jahren
exponentiell weiter fortgeschrittener Technikentwicklung, von Hitler begonnene
zweite noch schrecklichere Weltkrieg war also mehr oder weniger
vorprogrammiert.
Krieg ist keine Folge von
technischem Fortschritt oder vorsorglicher defensiver Aufrüstung, sondern wird
verursacht durch allgemein menschliches Fühlen, Denken und nationalistisches Handeln
bei evolutionsbedingtem Verlust von Sozialinstinkten (insbesondere der
innerartlichen Tötungshemmung), über die fast alle Tiere verfügen. – Höhere
Tiere kennen keine Kriege innerhalb ihrer Art.
Nun macht man Wernher von
Braun und seinen Mitarbeitern den Vorwurf, dass sie die von ihnen entwickelte
Waffe einer Regierung zur Verfügung stellte bzw. nicht verweigerten, die sich
als verbrecherisch entlarvte. Das Land befand sich in einem Krieg, der
angeblich vom Ausland ausgelöst worden war, wie die Propaganda glauben machte:
„Den in letzter Minute von
Deutschland gemachten friedlichen Lösungsversuch beantwortete Polen mit der
Generalmobilmachung, verstärktem Terror gegenüber Volksdeutschen und
schließlich mit offenen Angriffen auf das Reichsgebiet.“
(Reibert:
Dienstunterrichtsbuch/Januar 1940)
Nach erneuten ungeheuren
Menschen- und Materialverlusten stand Deutschland wieder kurz vor einer
Niederlage, die schlimmste Repressionen durch die Gegner befürchten ließ,
Repressionen (z.B. Morgenthau-Plan), die wahrscheinlich das so schreckliche
Versailler Friedensdiktat von 1919, nach dem letzten Kriege, in den Schatten
stellen würde.
Zum Erkennen der
Unrechtmäßigkeit der Regierungsentscheidungen und zu der Bereitschaft, sich der
Gnade der Gegner zu unterwerfen, waren die Peenemünder nicht fähig.
Durch die neue Raketenwaffe
erhoffte man sich die Wende der Kriegslage, zumindest eine bessere
Verhandlungsposition den alliierten Gegnern gegenüber zu schaffen.
Wernher von Braun und seinen
Mitarbeitern wäre theoretisch die innere Emigration mit heimlicher Verweigerung
der Weiterarbeit möglich gewesen.
Aber sie arbeiteten
nachweislich unter Aufsicht der SS produktiv weiter, bis zur provisorischen
Einsatzbereitschaft der Raketenwaffe. Selbst der äußerst brutale Einsatz von
Zwangsarbeitern in den Produktionsstätten, der gegen die Genfer Konvention und
die Menschenrechte verstieß, führte nicht zu einem ideologischen Bruch mit dem
Regime.
Dass Wernher von Braun sich
nach 1939 nicht von seinem Hobby zurückzog, zumindest in die innere Emigration,
mag objektiv schuldhaft sein, subjektiv nicht unbedingt bei der zensurbedingten
Unwissenheit der meisten Deutschen. Wie weit trotz der Einsicht, des Teufels
Ingenieur zu sein, seine Hobbybesessenheit die Oberhand behielt, kann kein Außenstehender
beurteilen. Wir können sein Denken nicht nachvollziehen, das konnte er später
wahrscheinlich selbst nicht mehr ohne Vorurteil und gewissensentlastende
Verdrängung.
Als gegen Ende des Krieges
tiefere politische Einsichten möglich waren und die A4 gebrauchsfähig war,
hatte die SS weitgehend die Initiative übernommen.
Man kann nur spekulieren, ob
von Braun und seine Mitarbeiter aus Opportunismus (Weiterentwicklung der Mond-
bzw. Raumrakete) oder blindem Nationalismus weiter zum Nationalsozialismus standen.
Beides mag zusammen gewirkt haben.
Von Braun sagte einmal den
sibyllinisch-schuldimmanenten Satz, der auf die dunkle Grotte des
Unterbewusstseins weist: „Wir tun es, ohne zu wissen was wir tun.“
Wir wissen heute, dass früher oder später so manchen dieser
„Betroffenen“ das große Entsetzen gepackt hat. -... und dann sind die
„anständigen“ unter ihnen nach vorn geflohen: Als Soldat kann man tapfer sein,
und je heldenhafter man ist, desto weniger muss man sich darum kümmern, was
hinter der Kampflinie vor sich geht; auch als Wirtschaftler braucht man an die
„vorderste Frontlinie“ zu denken, dann erfüllt man seine nächstliegende
Aufgabe, die kämpfende Truppe erhält ihren unentbehrlichen Nachschub, und man
selber ist aus dem Dilemma heraus.
(h. B. Gisevius: Adolf Hitler)
Wie subjektiv und
schmalspurig Denken verlaufen kann, beweisen Sätze, die der Chef General
Dornberger nach dem Bombenangriff auf Peenemünde August 1943 sagte und die er
noch 1958 in seinem Buch „Peenemünde“ wiederholte: „Mein armes, armes Peenemünde!“
... „Eindruck der grauenhaften, sinnlosen
Zerstörung“...
Wieso war der Dr. Ing. und
General der Artillerie nicht in der Lage, den Sinn und die Berechtigung dieses
Bombenangriffs auf die Geburtsstätte von Teufelseiern zu erkennen?
Von Brauns Karriere im
Dritten Reich war symptomatisch für den Lebensweg vieler Deutscher in dieser
Zeit. Sie zeigt, wie man unversehens durch harmlos erscheinende Bindungen
schließlich stufenweise vom absolut Bösen vereinnahmt werden kann. Von Brauns
Wirken im Dritten Reich zeigt eine gewisse Parallelität zu Albert Speers Weg.
Jener sah seine harmlose, bis ins Gigantische reichende Baulust durch den
Diktator gefördert und ermöglicht. Dann, weltanschaulich, politisch verblendet,
wurde er Rüstungsminister. Auch darin bestand noch keine eindeutige Schuld.
Aber dann verstrickte er sich bei zunehmender Totalisierung und Enthemmung der
Kriegshandlungen in die brutale Ausbeutung der Zwangsarbeiter. A. Speer wurde
als einziger Angeklagter im Nürnberger Hauptprozess, man kann fast sagen als
Kronzeuge, mit 20 Jahren Festungshaft relativ milde verurteilt.
Von Braun und seine
Mitarbeiter wären wie Speer vor Gericht gestellt worden, hätte die Aktion
„Paperclip“ sie nicht nach Amerika katapultiert.
Durch Schuldzuweisung an
Einzelpersonen löst man keine Menschheitsprobleme. Alle Menschen sind genetisch
gleich und handeln sehr stereotyp, wie auf Schienen des Selbsterhaltungs- und
Fortpflanzungstriebes laufend, auch wenn Intelligenzgrad und Charakter gewisse
individuelle Unterschiede bedingen.
Man muss mit Ockhams Messer*
die psychologischen Hintergründe freilegen.
Zu 5. : Die Rakete heute als Waffe und
Forschungsgegenstand
Die Frage, ob ein
Wissenschaftler alles erforschen darf, bei Gefahr, dass seine Entdeckung für
Kriegszwecke genutzt werden können, wird speziell am Raketenbau und an der
Kernwaffenforschung fest gemacht. Dabei sind Sprengstoff-, Giftgas-, Fahrzeug-,
Flugzeug- und Funkwellenforschung ebenso kriegswichtig.
Was von Menschen gedacht
werden kann, wird gedacht. Denken lässt sich nicht verbieten (Die Gedanken sind
frei). – Was von Menschen gebaut werden kann, wird gebaut. – Fast alles, was
gebaut wird, wird von der Regierung, vom Militär, auch als Waffe eingesetzt,
ohne das ein Erfinder oder Konstrukteur es verhindern kann.
Kriegerischer Einsatz einer
Erfindung kann vom Erfinder verhindert werden. Dieser Einsatz wird von der vom
Volk freiwillig gewählten oder unter Zwang ertragenen Regierung entschieden.
Die Frage der Kriegsursache
ist eine politische, psychologische, keine technische.
Trotz Verfemung der
deutschen Raketentechniker wurden, wegen fortbestehender Kriegsgefahr
(Ost-West-Konflikt), weltweit weiter Raketen gebaut, sogar unter
Dienstverpflichtung jener gescholtenen Deutschen.
Die Darstellung der
Raketenentwicklung in den 30er und 40er Jahren wegen moralischer
Unzulänglichkeit der Beteiligten zu tabuisieren, ist ein unsinniger
Verdrängungsprozess. Moral lässt sich nicht dadurch fördern, dass man eine
historische Darstellung zensiert oder karikiert.
Man sollte Raketentechnik
wertfrei sehen. Ein U-Boot muss kein Torpedo tragen, ein Flugzeug keine Bomben
und eine Rakete keinen Sprengstoff.“
Verfasser: Dr. Reinhard Dicke
Erläuterung:
*Ockhams Razor – Es handelt sich um “Occam’s Razor”, das von dem aus
England stammenden Franzsiskaner und Philosophen
Wilhelm von Ockham aufgestellte „Rasiermesserprinzip“. Man kann die Regel in
einen Satz pressen: „Von allen Erklärungen, die in einem bestimmten Falle
denkbar sind, ist die einfachste immer die richtige.“
Vereinsmitglieder berichten
Frau Maria Klar hat an die Redaktion des Infoblattes einen
Brief geschrieben, in dem sie die im Infoblatt geschilderten Ereignisse vor 60
Jahren wunderbar ergänzt. Zu der Rubrik „Geschichte und Gegenwart“ schrieb sie:
„Anfang
Februar 1945 begannen die Verlagerungen der Abteilungen von Peenemünde in den
Nordharz! Ich selbst gehörte zu dem Transport im fast letzten Sonderzug, der
die Insel am 26. Februar 1945 verließ. (Am selben Tag fiel auch mein
Heimatstädtchen Bublitz/Ostpommern in russische Hände.)
Die
Projektabteilung, in der ich tätig war (und auch andere Gruppen), hat noch ca.
5 Wochen in Weißenborn-Lüderode (Bleicherode) gearbeitet.
Völlig
überraschend, jedenfalls für mich, kam der Befehl Anfang April 1945 von
SS-General Kammler, dass eine bestimmte Gruppe den Harz zu verlassen hat!
(Nachzulesen in: „Der Schuss ins Weltall“ von Dr. W. Dornberger, Seite 291.
So
wurden wir am 06.04.1945 nach Bayern mit einem Sonderzug verlagert. Der
Transport mit ca. 450 Personen war, soweit ich mich erinnere, etwa 6 Tage und
Nächte unterwegs. Wir hatten von „Nichts“ eine Ahnung.
Wir
kamen zunächst nach Oberammergau und wurden dann vom 07.05. – 31.07.1945 im
ehemaligen Divisionsstabsgebäude in Garmisch-Patenkirchen interniert!
Nach
der Entlassung kamen die Herren nach Landshut, die Familien wurden dorthin
geholt. (Mich nahm ein Kollege mit, weil meine Heimat von den Russen überrollt
war.) Von dort sind die Herrschaften in die USA geholt worden.
Das
war’s!
Herzliche
Grüße
Maria
Klar
Aus der Arbeit unserer
Vereinsmitglieder „Fi 103 in Zempin“
Die in Peenemünde - Werk West befindlichen Erprobungs-
und Abschussanlagen für die fliegende Bombe Fi 103 sind bekannt, vielfach
abgebildet und, wenn auch beschränkt, zugänglich.

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Reste der Abschussanlagen in Peenemünde- West (Nov.2004)
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