Das Fernheizungssystem
Peenemünde Im
Oktober 1939 vergab das Heereswaffenamt an die Siemens-Schuckertwerke AG den Auftrag
zur Errichtung eines Kraftwerkes in Peenemünde. Neben der Erzeugung von Elektroenergie
sollte dieses Kraftwerk über ein Fernheizungssystem die Wärmeversorgung für die
einzelnen Bereiche des Versuchsserienwerkes (Werk Süd) und Teile der
Wohnsiedlung absichern. Das Entwicklungswerk (Werk Ost) und die
Erprobungsstelle der Luftwaffe (Werk West) besaßen auf ihrem Werksgelände
jeweils ein eigenes Heizkraftwerk zur Wärmeversorgung nur für die dort
vorhandenen Gebäude. Bereits
bei der Planung des Kraftwerkes wurde ein hoher Gesamtwirkungsgrad durch eine
Kraft-Wärme-Kopplung angestrebt. Zwei Turbinen mit je einer Leistung von 15 MW
mit Anzapfung für die Fernheizung erzeugten die nötige Wärme. Das
Fernheizungssystem hatte im Endstadium eine Gesamtumlaufmenge von ca. 120 t Heißwasser
bei 130°C Vorlauf und 30°C Rücklauf. Die verlegten Leitungen besaßen einen
Rohrdurchmesser von 340 mm und waren in Abschnitte von je 1000 m unterteilt.
Die Motoren der Absperrschieber in den einzelnen Pumpstationen und an den
Übergabepunkten wurden per Fernsteuerung von der Bunkerwarte aus betrieben. Vom
Kraftwerk bis zum Verteilergebäude wurden zwei Hin- und Rückleitungen
errichtet, die ab dem Wasserwerk Peenemünde parallel zum Bahngleis verliefen,
sich am Waldrand teilten und dann getrennt bis zum Verteilergebäude führten.
Von hieraus verzweigte sich das Leitungsnetz in die einzelnen
Versorgungsabschnitte, wobei die Rohre teilweise ober- bzw. unterirdisch
verlegt wurden. Vom
Kraftwerk bis zum Verteilergebäude erfolgte die Bauausführung von der Firma
Krantz-Aachen. Die Trasse auf dem Gelände vom Werk Süd wurde von der Firma
Caliqua-Wärmegesellschaft m.b.H. errichtet. Neben den Facharbeitern der
beteiligten Firmen wurden 1941/42 auch italienische Arbeiter bei der Errichtung
der Fernheizungsanlage eingesetzt. Folgende
Gebäude wurden bis zum Sommer 1943 an die Fernheizung angeschlossen: Die
Bunkerwarte und die Baracken auf dem Kraftwerksgelände sowie das
Sauerstoffwerk, das Arbeiterlager, das Stellwerk und das Wasserwerk im
ehemaligen Ort Peenemünde. Ebenfalls
alle Gebäude im Werk Süd mit dem Prüfstand XI, das Gemeinschaftslager Karlshagen
(VKN-Lager), die Wagenhalle sowie kleinere Gebäude für die Werkbahn. Am
5. Dezember 1941 hatte das Heereswaffenamt in einer Besprechung festgelegt,
dass zur Beseitigung des Wohnraummangels in den Innenhöfen der
Siedlungserweiterung 11 Wohnbaracken mit insgesamt 212 Wohnungen errichtet
werden sollen. Diese zweistöckigen Wohnbaracken wurden ebenfalls an das
Fernheizungssystem angeschlossen, dazu noch 8 Zweifamilienhäuser in der
Heidestraße.
In
der Zukunft war auch die Wärmeversorgung der Großsiedlung bei Trassenheide
(Stadt X für 20.000 Einwohner) vorgesehen, deren Errichtung aber 1939, nach
Kriegsbeginn, zurückgestellt wurde. Einige
Details zum Trassenverlauf Auf
dem Gelände des Kraftwerkes wurden die beiden Leitungen in unterirdischen
Betonkanälen mit abnehmbaren Deckeln verlegt.
Auf dem Gebiete des ehemaligen Dorfes teilten sich
die Leitungen und verliefen dann zum Teil auch oberirdisch bis auf Höhe des
Wasserwerkes Peenemünde. Über den weiteren Verlauf der Trasse vom Wasserwerk
bis zum Verteilergebäude gab es 1940 verschiedene Vorstellungen. So war im
April 1940 noch offen, ob die Trasse für die beiden Rohrleitungen zwischen der
Chaussee und der Bahnlinie oder südlich der Bahn im Wald verlegt werden soll.
Nach den Wünschen des Direktor Schubert sollte sie zu beiden Seiten der Straße
entlang führen, um möglichst wenig Ackerfläche zu nutzen. Die nördliche
Rohrleitung müsste dann aber an einer Stelle unter der Chaussee und dem Gleis
hindurchgeführt werden. Letztendlich wurde ein Trassenverlauf für beide
Doppelleitungen südlich der Bahnlinie festgelegt. Auf Höhe des Wasserwerkes führte
ein unterirdischer Strang zum Sauerstoffwerk und von dort weiter zum
Arbeiterlager Peenemünde Dorf. Eine weitere Leitung, die in den Wiesen
unterirdisch verlegt wurde, zweigte am Wasserwerk zum Prüfstand XI ab.
Legende:
1 Krankenhaus, 2 Gebäude der Werkbahn, 3 Verteilergebäude, 4 Unterwerk 2, 5 Werk Süd, 6 Vakuumtrockenanlage,
7 Stellwerk, 8 Wagenhalle, 9
Unterwerk 3, 10 VKN-Lager, 11 Bahnhof Karlshagen Siedlung, 12 Wohnbaracken, 13 Wohnhäuser in der Heidestr. Leitungen E Leitung um das Werk
Süd, F an der alte Peenemünder
Straße, G in der Wohnsiedlung, H an der Wagenhalle, I am VKN-Lager
Vom Verteilergebäude aus verlief eine
Rohrleitung nördlich und östlich des Werkes Süd auf einer Strecke von ca. 1400
m oberirdisch entlang der Umgehungsstraße. Im weiteren Verlauf lag sie dann auf
dem gesamten Werksgelände in Betonkanälen unter der Erde.
1942
erfolgte das Hochfahren der gefüllten Fernheizleitung. Während der
Bombenangriffe 1943 und 1944 wurden auch die Heizungsleitungen an vielen
Stellen zerstört und zum Teil wieder instandgesetzt.
Dehnungsbogen zum Längenausgleich als Exponat im HTM Manfred
Kanetzki, 2017 |