Der
Müggenhof Manfred Kanetzki In der Vergangenheit wurden von den Einheimischen im Norden
der Insel Usedom zwei verschiede Objekte als „Mückenhof“ oder
"Müggenhof" bezeichnet. Daher ergeben sich aus den Überlieferungen
und den Dokumenten immer wieder Missverständnisse. So wird z. B. in einem
Protokoll über die am 6. September 1948 stattgefundene Besichtigung des
Geländes der Gemeinde Peenemünde vom „vollständig devastierten alten Mückenhof“
gesprochen. Es sind jedoch die Gebäude des Vorwerkes Peenemünde gemeint, die
hier als "alter Mückenhof" bezeichnet werden, denn der eigentlich heute
als „Müggenhof“ bekannte Komplex war zu dieser Zeit vollkommen intakt. Das “Edikt zur Regulierung der bäuerlichen Verhältnisse“
von 1810 wurde in Vorpommern nicht voll umgesetzt. Die Bauern des Dorfes
Peenemünde waren sehr unzufrieden darüber, dass sie nicht über eigenen Besitz
verfügten und somit immer noch von der Herrschaft, der Stadt Wolgast, abhängig
waren. Um diesen Konflikt zu beenden fand 1829 eine Regulierung der
gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse des Stadtdorfes Peenemünde statt. Der
Magistrat von Wolgast setzte die Einwohner als Eigentümer ihrer Gebäude ein und
verkaufte ihnen die Hälfte des dazugehörigen Ackers für einen Gesamtpreis von
3.000 Talern. Die Pächter wurden verpflichtet, die sogenannte Hofwehr (das
eiserne Wirtschaftsinventar) an die Stadt abzuliefern bzw. es von dieser
abzukaufen. Den übrigen Teil ihres Landbesitzes legte die
Stadt zusammen und erbaute darauf 1830 das "Vorwerk Peenemünde". Von
1831 bis März 1833 lebte Johann Grapentin als Statthalter der Stadt auf dem Vorwerk.
Ab Dezember 1833 bewirtschaftete der Gutspächter Johann Carl Friedrich
Eggebrecht das große Anwesen. Er züchtete Kühe und hielt etwa 420 Schafe. An
Pacht zahlte er 850 Taler an die Stadt Wolgast. Nach der damaligen Vermessung
umfasste das Vorwerk ein Areal von 455
ha. In der Chronik des Ortes Peenemünde wird der Begriff
„Müggenhof“ für das Vorwerk erstmals 1893 erwähnt. Dort wird berichtet, dass
bei einem Gewitter am 28. Juni 1893 der Blitz in eine Scheune auf dem Müggenhof
einschlug, so dass diese und ein unweit stehender Stall innerhalb kurzer Zeit
niederbrannten. Eine Scheune mit Pferdestall und ein massiver Schweinestall
wurden ca. 1895 wieder aufgebaut. Am 1. Juli 1925 schloss die Stadt Wolgast mit dem
bisherigen Pächter des Weidehofes Wolgast, Max Haack, einen Pachtvertrag über
das Vorwerk Peenemünde ab. Die Pachtzeit sollte bis einschließlich 30. Juni 1943 dauern; die jährliche Pacht
betrug 5.000 Reichsmark. Im Jahr 1934 bemühte sich der ehemalige Peenemünder
Friedrich Bartels bei der Stadt Wolgast um eine Besiedelung des Vorwerkes,
welches von Herrn Haack seit längerer Zeit nicht mehr bewirtschaftet wurde. Der
Herr Haack hatte zu dieser Zeit durch Misswirtschaft bereits einen hohen
Schuldenberg angesammelt. Dem Antrag wurde nicht zugestimmt, stattdessen wurde
auf Veranlassung des Gemeindeschulzen Piepkorn, Peenemünder Arbeitern und
Fischern, welche keinen eigenen Acker besaßen, von der Stadt Wolgast 1 bis 2
Morgen Land vom Vorwerk Peenemünde für eine geringe Pacht überlassen.
Laut Vertrag vom 29. Juni 1936 verkaufte die Stadt Wolgast
große Flächen des städtischen Grundbesitzes, so unter anderem das Vorwerk
Peenemünde und die Försterei Peenemünde, an das Reich bzw. an die Wehrmacht.
Bereits ab August 1936 begann die Errichtung der Heeresversuchsanstalt und der
Anlagen für die Luftwaffenerprobungsstelle. In einigen Häusern des Ortes
Peenemünde siedelten sich Bauarbeiter, Handwerker und die Bauleitung an. Das Vorwerk Peenemünde wurde nun vom Militär übernommen,
dessen Bewirtschaftung ab 1. April 1937 vom Landwirt Julius Lattmann erfolgte.
Er war Angestellter der Luftwaffe und wohnte zu Beginn mit seiner Familie in
dem „Gutshaus“ des Vorwerkes. Zu seinen Aufgaben gehörte die Bearbeitung und
Pflege des Flugplatzes sowie der umliegenden Ländereien, die Viehhaltung und
der Gemüseanbau in einer Großgärtnerei. Im Vorwerk gab es 4 Pferdegespanne, 4
Ochsengespanne, 2 Trecker und einen Raupenschlepper. Auf dem Gutshof arbeiteten
neben den Landarbeitern auch einige Handwerker, die damals noch in Peenemünde
und Spandowerhagen wohnten. Da sich das Wohnhaus und die Wirtschaftsgebäude des
Vorwerkes Peenemünde unmittelbar neben den Prüfständen auf dem Gelände der
Luftwaffe befanden, war man bemüht, das Gut woanders anzusiedeln.
Im Jahr 1943 wurde das Gut verlegt. Die gesamte Anlage, die
jetzt als „Müggenhof„ bezeichnet wurde, war vorher von holländischen
Bauarbeitern neu errichtet worden. Als die Familie Lattmann hier Ostern 1943
einzog, bestand der Komplex aus mehreren Gebäuden. Sie selber wohnten in einem
Haus mit einer Wohnfläche von 160 m² (7 Zimmer) an der Einfahrt zum Gut. Für
die verheirateten Landarbeiter gab es zwei Reihenhäuser mit jeweils 5
Wohnungen. Weitere Arbeitskräfte wohnten im Gemeinschaftslager Ost. Ein
Stallgebäude war für die Pferde, Ochsen und Schweine vorhanden. Außerdem gab es
eine Scheune mit einer Werkstatt zur Instandsetzung von Maschinen und Gerät. In
einer Zuchtfarm mit entsprechenden Betriebsgebäuden wurden 1500 Angorakaninchen
gehalten. Ihre Wolle wurde ständig ausgekämmt und diente zum Ausfüttern von
Fliegerkombinationen. Im Sommer sorgte eine Herde mit 200 Schafen dafür, dass
das Gras auf dem Rollfeld kurz gehalten und der Boden weiter verdichtet wurde. Ebenfalls gehörte zum Gut ein Treibhaus für die
Gemüseproduktion und ein Lagerhaus für 4000 Zentner Kartoffeln und 500 Zentner
Kohl. Mit diesen Erzeugnissen wurden die Kantinen der drei Werke beliefert.
Ackerflächen gab es auch nördlich des Müggenhofes und am Kölpiensee. Neben den Landarbeitern wurden ab Mai 1943 auch KZ-Häftlinge
aus dem Lager Karlshagen I zur Arbeit auf dem Gelände des Gutes eingesetzt. Durch die Bombenangriffe auf Peenemünde 1943/44 gab es am
Müggenhof keine Zerstörungen. Auch
das Kriegsende hatten die Gebäude und Anlagen ohne Beschädigungen überstanden
und wurden so im Sommer 1945 auch weiterhin zur Versorgung der Küche der
"Elektromechanischen Werke GmbH Peenemünde" mit landwirtschaftlichen
Produkten genutzt. Im Werk arbeiteten zu dieser Zeit noch rund 300 Personen.
Mitte August 1945 untersagte die sowjetische Verwaltung die Belieferung der
deutschen Küche. Die Produkte wurden jetzt zur Versorgung der Roten Armee
vereinnahmt. Die Arbeit auf den Feldern des Gutes verrichteten etwa 20 junge
Frauen aus der Umgebung. Sie pflegten die Beete im sogenannten „Heeresversuchsgarten“,
der südlich vom Müggenhof lag, und ernteten das Obst und das Gemüse. Auf dem
Flugplatzgelände wurden die Frauen auch zum Grasmähen eingesetzt. Um
das "Gut Müggenhof" kam es im Oktober 1945 zu einer
Auseinandersetzung zwischen der sowjetischen Kommandantur und dem Landrat der
Insel Usedom. Der Kommandant Major Domaschew verlangte vom Landrat
Heinrich Kasten, dass in Umsetzung der Bodenreform alle großen Güter im
Landkreis bis zum 7. Oktober 1945 enteignet und unter Neubauern aufgeteilt werden.
Dazu zählte auch das "Gut Müggenhof" in Peenemünde. Bis zum13. Oktober konnte die Aufteilung der Güter abgeschlossen
werden. Eine Ausnahme bildete der Müggenhof, der ja von der Besatzungsmacht
beschlagnahmt war. Der Landrat befand sich nun in einer sehr zwiespältigen
Situation. Die sowjetische Militärverwaltung forderte mit Nachdruck die
sofortige Aufteilung des Gutes, obwohl die Roten Armee in Peenemünde es für die
eigene Versorgung nutzte, und der deutschen Verwaltung den Zugang zum Gut
verwehrte. Erst
nach einer Beschwerde des Landrates Kasten bei der Landesregierung in Schwerin
kam es zu einer Lösung des Problems. Das "Gut Müggenhof" wurde
aufgelöst und ab dem Frühjahr 1946 von Neubauern bewohnt, die zum Teil schon
vor ihrer Umsiedlung und dem Abriss des Dorfes in Peenemünde lebten. Auf den
vorhandenen Ackerflächen und dem Flugplatz versuchten sie nun, Landwirtschaft
zu betrieben. Da der Grundwasserspiegel auf dem Flugplatz sehr hoch war, konnte
das Gelände aber nur als Weidefläche genutzt werden. In
den beiden Wohnhäusern auf dem Müggenhof wohnten zu dieser Zeit ebenfalls
einige Mitarbeiter des Kraftwerkes Peenemünde mit ihren Familien. Doch bereits im Juli 1949 mussten die Einwohner den
Müggenhof auf Weisung der Besatzungsmacht kurzfristig verlassen. Die Familien,
die die vorhandenen Gebäude zum Teil umgebaut hatten und sich hier ein neues
Zuhause schufen, zogen nun wieder zurück nach Karlshagen, Peenemünde und
Koserow. Da sie dort keine Tiere versorgen konnten, mussten sie das vorhandene
Vieh verkaufen. Die
Gebäude wurden jetzt von den sowjetischen Luftstreitkräften und den
Marinefliegern genutzt, die den Flugplatz wieder aktivierten und dort bis 1960 ein
Fliegerregiment stationierten.
Nach der Übernahme der ehemaligen Liegenschaften der NVA
durch das Bundesvermögensamt, wurden einige Gebäude und Räume des Müggenhofes
in den folgenden Jahren an verschiedene Gewerbetreibende vermietet. Ab 1.
Januar 2005 erfolgte die Verwaltung durch die Bundesanstalt für
Immobilienaufgaben (BImA).
ehemaligen Sperrgebietes, als Naturerbefläche Peenemünde,
darunter auch den Müggenhof. Der Museumsverein Peenemünde e.V. schloss 2011 mit
der DBU Naturerbe GmbH einen Nutzungsvertrag über drei Gebäude des Müggenhofes.
Der Verein nutzt diese Gebäude als Lager und Werkstatt und als zukünftigen
Ausgangspunkt für historische Rundfahrten. Ein endgültiges Nutzungskonzept für den gesamten Müggenhof
liegt zurzeit noch nicht vor. |