Aus der Arbeit unserer Mitglieder

Der Prüfstand XI

Manfred Kanetzki

Der Prüfstand XI war ursprünglich als Abnahmeprüfstand P2 für die Serienfertigung geplant. Hier sollten die im Versuchsserienwerk "Werk Süd" produzierten Raketen vor der Auslieferung kalibriert und durch Brennversuche getestet werden. Wernher v. Braun und auch Walter Thiel waren der Meinung, dass für jedes hergestellte Gerät ein Brennversuch unbedingt erforderlich ist. Die Leitung des Fertigungswerkes vertrat dagegen die Auffassung, dass diese Brennversuche in der Großserienherstellung fortfallen können, da es technisch keine Schwierigkeiten gebe, das Triebwerk nach endgültiger Festlegung der Formen, Abmessungen und Toleranzen so herzustellen, dass ein sicheres Funktionieren gewährleistet ist. Trotz dieser Hinweise mussten die großen Anlagen im Prüfstand XI errichtet werden, welche später, als sich die Voraussagen der Fertigung bestätigten, nie im vollen Umfang genutzt wurden. Die Raketen aus der Großserie wurden dann nur noch einer genauen mechanischen und elektrischen Funktionsprüfung unterzogen. Nur mit jedem 10. Triebwerk wurden einfache kurze Brennproben durchgeführt. Der Prüfstand bestand aus einem ca. 4 Meter hohen Erdwall, auf dem als Sichtschutz eine Hecke gepflanzt wurde. Er hatte einen Durchmesser von 150 Meter. Im Zentrum des P XI befand sich ein Brennstand für die Triebwerkserprobung mit einer Abgasschurre aus Beton. Im Erdwall waren ein Wasserbehälter mit einem Pumpenhaus und eine Trafostation untergebracht. Von hieraus wurde das Kühlwasser mittels Pumpen durch oberirdische Leitungen zum Brennstand gepumpt. Südlich vom Erdwall befand sich das Beobachtungs- und Meßhaus, von wo die Brennversuche gesteuert und überwacht wurden. Durch einen Tunnel im Erdwall war es möglich, vom Beobachtungshaus aus direkt die Arena zu betreten. Über einen betonierten Kabelgraben gelangte man dann zum Brennstand. Noch weiter südlich befand sich der Kalibrierungsprüfstand. Hier konnten vier Raketen eingestellt und zum Brennversuch vorbereitet werden. Zum Prüfstand gehörten noch

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Der Prüfstand XI am 4. Juli 1944

Foto: Royal Air Force (RAF)

Zeichnung M. Kanetzki

 

 Legende

1     Erdwall ca. 4 m hoch, bepflanzt mit einer Hecke

2     Brennstand mit Prüfturm

3     Abgasschurre aus Beton

4     Löschwasserbassin

5     Kühlwassertank mit Pumpenhaus und Trafohaus

6     Kühlwasserleitungen

7     Kantine

8    Baracken mit den Büros

9     Beobachtungs- und Meßhaus

10   Zugang durch den Erdwall

11  Kabelgraben

12  Kalibrierungsprüfstand für 4 Gesamtgeräte

13   Beobachtungsgebäude

 

einige Barackenbauten in denen sich Büros und die Kantine befanden. Der Prüfstand XI war durch Straßen und Eisenbahngleise mit dem Gelände vom Werk Süd verbunden. Im Jahr 1944 bestand die Arbeitsgruppe am P XI aus bis zu 25 Personen. Leiter des Prüfstandes war der Dipl.-Ing. Friedhold Röhner.

Der Prüfstand XI sollte ursprünglich zum 1. Juni 1943 einsatzbereit sein. Aber auf Grund von materiellen und personellen Problemen beim Aufbau der Anlagen gab es immer wieder Terminverschiebungen. So stellte sich am 6. Dezember 1943, als der Kühlwasserbehälter im Erdwall gefüllt wurde, heraus, dass der Betonbehälter nicht dicht war. Beim ersten Brennversuch am 10. Dezember brannten dann einige Rohre des Kühlschirmes in der Schurre durch, da eine Pumpe für das Kühlwasser ausgefallen war. Nach Instandsetzung der Schurre fand dann am 17. Dezember der zweite Brennversuch statt. Dieser verlief programmgemäß und es traten keine weiteren Schäden an der Anlage auf.

 

Der Kalibrierungsprüfstand

Der Kalibrierungsprüfstand im Prüfstand XI bestand aus einem ca. 20 m hohen Gebäude mit vier separaten Abteilungen, die jeweils einen Gleisanschluss besaßen. Jede Abteilung hatte vorn und hinten Flügeltüren, die in voller Höhe geöffnet werden konnten. Unmittelbar vor dem Prüfstand befand sich eine Gitterkonstruktion mit einer Krananlage. Mit Hilfe dieses Kranes wurde die mit einem Spezialwaggon angelieferte Rakete in die senkrechte Stellung gebracht. Die Rakete wurde ohne Heckverkleidung transportiert. Dafür war sie mit einem speziellen "Prüfstandheck" und einem "Traggerüst zum Prüfstandheck" versehen. Mit diesem Traggerüst wurde die Rakete auf einen "fahrbaren Tisch" gestellt. Jede Abteilung war mit vier Arbeitsebenen ausgestattet, die durch Treppen verbunden waren. Diese Arbeitsbühnen wurden an den Seiten heruntergeklappt und umschlossen nun die Rakete. Nach dem Einbau und dem Betanken dieser Prüfanordnung wurde das Gesamtgerät kalibriert. Der aus den Treibstoffbehältern abgepumpte Treibstoff wurde während des Versuches in Tanks aufgefangen. Dafür gab es jeweils einen Alkohol- bzw. Sauerstoffraum. Diese Räume befanden  sich im Boden zwischen dem Prüfstand und dem Bedienungshaus. Von diesem Gebäude aus führte eine Treppe in diese Räume. Der gesamte Kalibrierungsvorgang konnte aus dem sicheren Bedienungshaus gesteuert und durch Sehschlitze beobachtet werden.

Obwohl der Prüfstand XI, nach der Verlagerung der Serienfertigung in den Harz, innerhalb der Peenemünder Anlagen nur noch eine unbedeutende Rolle spielte, war er bei den Bombenangriffen der USAAF im Sommer 1944 stets ein besonderes Ziel der Bomber. So wurden beim Angriff am 18. Juli im Bereich des Prüfstandes XI über 150 Bombenkrater gezählt, darunter wenigstens 4 direkte Treffer in der ringförmigen Struktur. Die Schäden wurden als mittel bis schwer eingeschätzt, so dass die Wiederaufnahme des Brennbetriebes für einen längeren Zeitraum nicht möglich war.

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Kalibrierungsprüfstand mit den unterirdischen Tanks und dem Bedienungshaus

Zeichnung M. Kanetzki

 Auch beim Angriff am 4. August gab es wieder eine große Anzahl von Bombentreffern innerhalb des Prüfstandes, in der Nähe des Brennstandes, und einen direkten Treffer am Beobachtungs- und Meßhaus.

 

Besonders intensiv wurde der Bereich des Prüfstand XI auch beim Angriff am 25. August getroffen. Im Auswertebericht der USAAF heißt es, dass es ein oder zwei Treffer im Zentrum des Erdwalles gab, fünf oder sechs Treffer im Bereich des Erdwalles sowie sechs Treffer auf dem Erdwall.

 

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Der Prüfstand XI nach dem Bombenangriff  am 18.Juli.1944

 

 

 

 

 

Foto: Royal Air Force (RAF)






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